Was versteht man unter einem Auto­mobil­zulieferer?

Der Zusammenhang von OEM und Tier-1 bis Tier-3

Karlsruhe, den 06.02.2019

Die Fahrzeughersteller, auch als OEM (Original Equipment Manufacturer) oder Erstausrüster bezeichnet, sind auf ein komplexes Zulieferernetzwerk angewiesen. Ohne dieses wären sie heute nicht mehr in der Lage, ein Fahrzeug zu fertigen oder zu entwickeln, da das nötige Know-How nicht im eigenen Hause zur Verfügung steht.

Nach der Definition von Autor David Braun („Von welchen Supply-Chain-Management-Maßnahmen profitieren Automobilzulieferer“) sind Automobilzulieferer „Unternehmen, die Güter herstellen, welche in den Fertigungsprozess eines Automobils eingehen beziehungsweise Bestandteil eines Automobils werden, sodass sie diese Güter direkt oder indirekt an einen Automobilhersteller... liefern“.

Aufbau einer Zulieferpyramide

Die Zulieferpyramide stellt die hierarchische Ordnung der Lieferanten bis zum Endprodukt dar. Dabei werden die Zulieferer in der Lieferkette von den OEMs nach verschiedenen Ebenen oder Rängen beschrieben. Verwendet wird dafür der englische Begriff Tier [dt. für Ebene, Stufe]. Hierbei benennt Tier-1 den direkten Zulieferer mit größeren Baugruppen und Systemen. Unter Tier-2 sind Lieferanten für Unterbaugruppen zu finden; Zulieferer für einzelne Bauteile wie Schrauben, Lager oder Dichtungen werden mit Tier-3 bezeichnet.

Die Grenzen sind hierbei nicht immer klar zu ziehen. So kann ein Lieferant gleichzeitig Tier-1 und Tier-2-Lieferant sein – indem er beispielsweise Antennenmodule an OEMs und an Tier-1-Lieferanten liefert.

Die größten Automobilzulieferer haben es durch globale Präsenz geschafft, nach Umsatz betrachtet über Jahre auf den oberen Rängen zu stehen. Die Tatsache, dass weltweit nur sehr wenige Autos ohne Bauteile dieser Top Player gefertigt werden, sichert diesen Zulieferern wohl auch in den nächsten Jahren ihre Position. Ob Budget-Car, Luxuslimousine oder elektrifiziertes Fahrzeug, überall sind Teile von Bosch, Continental oder Denso zu finden. Unter den weltweit ersten fünf Rängen sind mit Bosch, Continental und ZF Friedrichshafen gleich drei deutsche Konzerne zu finden, was die Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Deutschland unterstreicht.1

In vielen asiatischen und amerikanischen Unternehmen sind jedoch Umsatzrückgänge für 2017 erkennbar. Ursache dafür sind jedoch meist heftige Währungseffekte gegenüber dem Euro und keine „schlechten“ Geschäfte. Dennoch müssen sich alle Zulieferer für die Zukunft neu ausrichten. Wichtige Trendthemen in den nächsten Jahren sind die zunehmende Elektrifizierung der Mobilität, autonomes Fahren sowie Konnektivität.

Teile und Baugruppen

Beispiel

Zulieferer

Fahrerassistenz und Sicherheit Radar Bosch
Innenraum Instrumententafel Magna
Karosserie Strukturteile Gestamp, TRW
Fahrwerk Hinterachse LUK
Infotainment und Elektronik Bordnetz Kromberg & Schubert
Powertrain Getriebesteuerung Continental

Abb.: Übersicht typischer Zulieferer für einen Automobilhersteller

Den großen Unternehmen gelingt die Neuausrichtung durch Abspaltung von nicht zukunftsträchtigen Geschäftsbereichen sowie durch Zukäufe oder Joint-Ventures, um ihre Lücken im künftigen Angebot zu schließen. Kleineren Zulieferern bleibt nur die Möglichkeit, sich weiter zu spezialisieren und Alleinstellungsmerkmale zu schaffen. Auch die Bedeutung kreativer Start-Ups wird weiterwachsen. Ihr Einfluss auf die Zuliefererindustrie nimmt rasant zu, da sie vor allem mit den Megatrends der Zukunft ihren Umsatz generieren: Big Data, autonomes Fahren (Fahrerassistenzsysteme, Kameras und Sensoren) oder Carsharing-Modelle.

Entwicklungsdienstleister

Die Entwicklungsdienstleister (auch Engineering-Dienstleister) werden nicht direkt den klassischen Zulieferern zugerechnet, da sie vordergründig keine eigenen Produkte produzieren oder verkaufen. Die Unternehmen erzielen ihren Umsatz hauptsächlich aus der Erbringung von Entwicklungsdienstleistungen in Form von Werksverträgen und Auftragsentwicklungen. Während Ingenieurbüros meist nur Dienstleistungen aus einem speziellen Fachgebiet anbieten (z. B. Konstruktion, Layout, Robotersimulation, Projektmanagement), decken Entwicklungsdienstleister eine breitere Angebotspalette ab und sind oft auch in der Lage, Entwicklungen von Teilsystemen (Modulen) vollständig im eigenen Haus durchzuführen. Gerade die Dienstleister müssen sich dem rasanten Branchenwandel stellen. Dies kann jedoch nur durch Spezialisierung ihrer Geschäftsmodelle gelingen. Durch ein überlegenes Leistungsangebot und Alleinstellungsmerkmale kann es gelingen, nicht im Mittelmaß zu versinken und die zukünftigen Potentiale, welche die Elektromobilität bietet, auch auszunutzen.

Als Ingenieurbüro ist auch IBS dem aktuellen Wandel ausgesetzt. Die Herausforderungen für uns wird sein, in relativ kurzer Zeit unseren Platz in der veränderten Zulieferkette zu finden.

1Vogel Communications Group: Die weltweit 100 größten Automobilzulieferer, in Automobil Industrie Special Juni (2018), S. 22f

Eine Visualisierung der einzelnen Schritte von der Idee bis hin zum Zulieferer.
Eine Pyramide, die die einzelnen Zulieferer und Abhängigkeiten visualisiert.
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